[Gastbeitrag von Carl G. Bronetto]

Der wahre Pluralismus gehört dem Begriff einer zukünftigen Gesellschaft an.“1 (Max Horkheimer)

I. „Da würde ich mit Marx argumentieren…“

Im Rahmen eines geisteswissenschaftlichen Ausbildungsprogramms an einer Universität kommen Studierende oft nicht umhin, sich ab und an mit den Grundlagen dieser Gesellschaft auseinanderzusetzen und gar um das Gut oder Schlecht jener Grundlagen zu streiten, zumindest aber die Debatten anderer beiläufig zu ertragen, wenn sie nicht die Schlüsselkompetenz besitzen, einfach zu gehen, wann es ihnen passt. Zumeist entstehen derartige Debatten da, wo sich Einige finden, die ein Mindestmaß an Kenntnis gegenüber den Strukturgesetzen einer Vergesellschaftung über Kapital und Staat mitbringen und entschlossen sind, sich mit der Kritikabstinenz und konformistischen Dumpfheit ihrer Dozenten sowie der studierenden Konkurrenz nicht abzufinden. Wenn dann aber am Anfang einer Argumentation, die Kritik sein soll, allererst der Satz fällt, „Da würde ich mit Marx argumentieren…“, ist das, gewollt oder ungewollt, bereits die schlechte Kapitulation vor der gängigen Idiotie der akademischen Meinungsfreiheit. Der Versuch, der Wahrheit auf die Spur zu kommen und um sie zu ringen, verfällt zum Deutungsangebot, das man bei Bedarf der Auslage theoretischer Ansätze entnehmen kann. Es wird ein möglicher Standpunkt auf dem pluralistischen Müllhaufen eingenommen, der der eigene sein mag, jedenfalls aber eingenommen werden kann. Schlussendlich bereichert man damit lediglich den akademischen Schilderwald um eine weitere Gedenktafel. Den Rest des Beitrags lesen »

Am 3. Juli 2013 lud die „Antifaschistische Aktion Jena“ (AAJ) zusammen mit dem „Referat gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zu einem Vortrag mit dem Soziologen Georg Klauda. In der trüben „Lichtstadt Jena“ sticht eine Antifagruppe wie die AAJ mit ihrer famosen Gründungserklärung, samt dimitroffscher Faschismusformel, besonders grell hervor, wie jüngst bereits die hallenser Bonjour Tristesse treffend bezeichnete.1 Titel und Ankündigungstext der Veranstaltung mit Klauda ließen bereits einiges erwarten: „Homophobie und Psychoanalyse im Werk von Theodor W. Adorno“.2 Der Vorwurf der Homophobie an die sogenannte Frankfurter Schule ist in diesem Zusammenhang keineswegs neu. Die grundlegende Debatte zwischen Randall Halle und Martin Dannecker in der Zeitschrift für Sexualforschung, welche das Konzept der Homosexualität in der Kritischen Theorie zur Diskussion stellte, wurde von Klauda allerdings als zu ‚werkimmanent‘ abgetan. Was das genau bedeutet und für Konsequenzen hat, wird im folgenden nachgezeichnet. Den Rest des Beitrags lesen »

[Text in solidarischer Koorperation mit Texas-K-Walker]

Der Staatsmacht vorzuwerfen, dass sie bestehendes Recht vollstreckt und begangene Gesetzesbrüche ahndet (Vgl. Alternative Dresden News: Festnahme in Dresden) ist in etwa so eindimensional wie das Anprangern von egoistischem Profitstreben bei Managern. Es handelt sich um systemimmanente Notwendigkeiten, um notwendig falsches Bewusstsein. Ziel und Aufgabe materialistischer Ideologiekritik wäre es, solche Zusammenhänge darzustellen um zum Kern des Problems vorzudringen. Vermeintliche Kritik am bürgerlichen Recht endet in linken Theoretisierungen jedoch unausweichlich im zwanghaften Primat der Praxis. Das ohnmächtige Aufbegehren offenbart sich des öfteren in Ausbrüchen des Destruktionstriebes. Diese Auswirkungen der täglichen (Selbst-)Zurichtung innerhalb der repressiven Gesellschaft sind als Symptome keinesfalls schon politischer Natur und eine Affirmation des enthemmenden Gewaltausbruches hat mit Gesellschaftskritik und daraus resultierender Praxis rein gar nichts zu tun. Der Hass auf das Abstrakte und die Unfähigkeit zur dialektischen Betrachtung der bürgerlichen Gesellschaft haben einen mimetischen Reflex zum Resultat, der in dem als konkret empfundenen, zu nichts als einer ideologischen Zuspitzung führt. Der Traum vom Freiraum, der sich in der Rhetorik linker Apologeten als vorgebliche Alternative verkauft, entpuppt sich als pures Abbild zum bestehenden Zwang. Den Rest des Beitrags lesen »

(Gastbeitrag von Texas K. Walker)

Diejenigen, die nicht bereit sind die Summe gesellschaftlicher Widersprüche als ein Vernünftiges zu ertragen und sich aus diesem Grund dazu gezwungen fühlen, ihr Unbehagen in kritischen Überlegungen zu artikulieren – d.h. Das unbedingte Widerstreben als notwendiges Übel zu realisieren und eben nicht das Aufblähen der eigenen Gesinnung als Leidenschaft zu begreifen, müssen unentwegt in der Lage sein, sich für eine Welt zu sensibilisieren, in der es einen ausgeprägten Antisemitismus, aber scheinbar keine ihn befördernden Antisemiten gibt. Im Folgenden soll es nicht darum gehen den Antisemitismus in seiner logisch-geopolitischen Reproduktionsform nach Auschwitz zu entlarven, es soll vielmehr der Versuch unternommen werden, an der profanen Argumentation einer sich radikal gerierenden Linken, das ausfindig zu machen, was der Notwendigkeit besagter Sensibilisierung den entsprechenden Nachdruck verleiht. Während man beabsichtigt, die Kritik an der israelischen Staatspolitik, von der Akzidenz zur Essenz seiner Sache aufzuschwingen, um sich weiterhin unter dem Minimalkonsens deutscher „Israelfreunde“ subsumieren zu können, mausert man sich allmählich zum diskurserprobten Wendehals mit einem scheinbar unerschöpflichen Repertoire an Argumenten, die schlussendlich dann doch als Beweis dafür dienen sollen, dass die Juden unser Unglück sind. Der Versuch einer Sensibilisierung, also das Fördern dialektischen Denkens, ist in aller Tragik für die am Notwendigsten, die in Form ihrer „Israelsolidarität“ jedwede dialektische Betrachtung von vornherein verunmöglichen. An welchen Stellen sich hinter einer vermeintlichen Solidarität nichts als das Verlangen nach politischer Gleichsetzung oder die Skandalisierung um der eigenen Exzentrik willen verbirgt, vermögen das Schwenken von Flaggen und das Tragen anderer indentitärer Modeaccessoires unschwer erkennen zu lassen. Was bleibt ist der Appell an den Einzelnen, der sich noch nicht der absoluten Idee unterworfen hat und genau deshalb von den regressionsgeilen Bauernstaatliebhabern als Ekel der bürgerlichen Gesellschaft diffamiert wird.

Jeder, der nur einmal versucht hat, seinem Engagement im antifaschistischen Milieu Geltung zu verleihen, konnte unter Umständen feststellen, dass es hin und wieder – wenn man gerade nicht auf Hetzjagd nach Nazis ist, bzw. bei Abwesenheit dieser, „Bonzenkarren entglast“ oder als Ausweichmöglichkeit vulgäre Jugendliche drangsaliert – zu Diskussionen kommt, in denen nicht nur die starre antifaschistische Attitüde, aus der ja bekanntlich alles und jedes folgt, thematisiert wird, sondern ein Inhalt zum Thema wird, der sich nicht von der einheitlichen Gesinnung erfassen lässt. Die Parole: „Nie wieder Deutschland ! Nie wieder Faschismus“, die u.a. in Form von überdimensionalen Transpis die Wände szenetypischer Veranstaltungsräume schmückt, offenbart bereits das Defizit im Begriffsverständnis, das es dabei zu reflektieren gilt. Welcherlei Argumentationsstrukturen aus einem solchen Mangel unvermittelt oft resultieren, soll hier illustriert werden. Den Rest des Beitrags lesen »

Paradise Now…

Es kommt zweifelsohne der Tag, nach dem Ende des Schulabschlusses, an dem diejenigen die etwas auf sich halten, die Koffer packen und aus den angestammten randzonalen Gebieten Sachsens die Flucht ergreifen, in der Hoffnung noch etwas von der Welt zu sehen – schließlich warten da draußen neue Orte, Menschen und Erfahrungen – schier unendliche Möglichkeiten. Die Zeiten in denen man täglich immer die gleichen Menschen, den selben Stumpfsinn erdulden muss und des abends, mangels Jugend & Nachtleben, auf der Parkbank, an der Tanke oder sonstwo mit ein paar Bier darauf wartet, dass irgendetwas passieren möge, sind passé. Während die Einen dem Studium, dem Auslandsjahr etc. in der Ferne entgegeneilen, bleibt den Gebliebenen meist nur der Trost billiger grenzgebietsüblicher Drogen und der eiserne Wille zum Ausharren – Den Rest des Beitrags lesen »

„Die Dummheit der Kommunisten halte ich für kein Argument gegen den Kommunismus“  (Robert Schernikau)
 Am 17. Juni 2012 ruft der „Arbeitskreis 17. Juni“, ein Zusammenschluss aus NPD und sogenannter parteifreier Widerstandsbewegung zu einer Demonstration unter dem Motto „Damals wie heute: Freiheit muß erkämpft werden“ auf.
Der Mobilisierungs-Text kommt im revolutionären Pathos daher und es wird sich nicht entblödet den attischen Demokraten Perikles zu zitieren: „Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“
Dem kann getrost der Ausspruch aus Goethes Egmont entgegen gehalten werden:
„Freiheit? Ein schönes Wort, wer’s recht verstände.“ Den Rest des Beitrags lesen »

Nur weil man zu etwas tanzen kann, ist es noch lange keine Revolution. Frei nach Emma Goldman stellt sich demnach die Frage, warum eine öffentliche Tanzveranstaltung unter dem Titel „Reclaim the Streets“ großspurig die „Rückeroberung der Straße“ einfordert. Den Rest des Beitrags lesen »

Dogmatischer Radikalismus

29. Januar 2012

Kaum zu übersehen ist die neue Aufkleber Kollektion der erst kürzlich gegründeten Antifa Gruppe URA („Undogmatische Radikale Antifa Dresden“). Die vermittelte Bildsprache zeigt vor allem eins, und zwar einen enormen Miltanz-Fetisch. Pflastersteine als potenzielle Wurfgeschosse, brennende Barrikaden und Polizei im Einsatz. Dazu der Text: „Vergiss die Bullen, Alter! Die helfen dir nicht weiter…“. Das Zitat stammt ursprünglich aus einem Song des Rappers ‚Afrob‘, in welchem es einen Bezug zum rassistischen Alltag der Bundesrepublik hatte, welcher sicherlich auch heute noch Relevanz besitzt. (Beispielsweise beim Fall von OURY JALLOH)

Aus diesem Kontext gerissen und in Kombination mit dem Bild drückt es allerdings schlicht eine generelle Absage an die staatliche Exekutive aus und es folgt schließlich weiter unten: „Wir nehmen unser Leben selbst in die Hand!“ Was will mir die URA damit sagen? Den Rest des Beitrags lesen »

Linke Schweigespirale

26. Dezember 2011

Die radikale Linke generiert sich besonders durch ein ihr ganz wesentliches Merkmal: Militanz.

Immer wieder wird darauf verwiesen, dass diese mehr als nur eine kämpferische Haltung, sondern neben dem Aspekt der Gewalt auch genuin politisch zu verstehen sei (Vgl. exemplarisch: A.G. Grauwacke. Autonome in Bewegung, 2007 S. 142ff).

In diversen ‚Militanzdebatten‘ wurde und wird sich seit Jahrzehnten über die Frage der Gewalt gestritten. Legitimität von Gewalt ‚gegen Sachen‘ ist dabei Mehrheitsfähig. Die allgemeine Theorieresistenz linker Gruppen erklärt dabei eventuell, warum immer wieder die gleichen Argumente und Rechtfertigungen auftauchen, jedoch grundsätzlich nichts neues ausgesagt wird. In der prinzipiellen Negation einer Staatsmacht, welche doch gerade Gewaltverhältnisse in positives Recht und eine verbindliche Rechtsform für alle Individuen bündelt, orientiert man sich demnach (unbewusst) am Naturrecht. Die Anwendung von Gewalt zu gerechten Zwecken wird hierbei für legitim erklärt. Gewalt wird folglich als ein dem Menschen eingeschriebenes Naturprodukt betrachtet und daher ist ihre Anwendung prinzipiell auch völlig unproblematisch (Vgl. Zum Begriff des Naturrecht: Walter Benjamin, Zur Kritik der Gewalt, 1999 S. 179).

Die Gefahr der vormodernen Selbstjustiz, vom Unrechtssystem marodierender Rackets liegt augenscheinlich auf der Hand. Den Rest des Beitrags lesen »

13. Dezember 2011

[Walter Benjamin]